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Unterm Krummstab lebte man nicht schlecht!

Vortrag von Studiendirektor i.R. Josef Sagmeister


Die Grundherrschaft des Fürstenzeller Klosters war vom frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert die vorherrschende rechtliche, wirtschaftliche und soziale Besitzstruktur des ländlichen Raums, nicht zu verwechseln mit dem Lehenswesen und der Leibeigenschaft.

 Ihre Ursprünge liegen im frühen Mittelalter, als zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert die meisten der damals noch freien und wehrfähigen Bauern ihr Anwesen einem adligen oder kirchlichen Herrn übergaben, um der Pflicht der Heeresfolge zu entgehen. Sie bewirtschafteten den Hof weiterhin, mussten dem Herrn aber Abgaben und Dienste leisten. Dafür genossen sie Schutz und Schirm des Grundherrn.

 Nach der Gründung des Zisterzienserklosters Fürstenzell 1274 kamen in den ersten zwei Jahrhunderten gut 200 Anwesen durch Schenkung und Kauf unter die Grundherrschaft des Klosters, das dennoch zu den kleineren Klöstern im Land zählte. 1445 wurden in Bayern die Höfe nach dem Hoffuß klassifiziert. Nur ein kleiner Teil der Fürstenzeller Höfe waren ganze und halbe Höfe - Maier und Huben. Der weitaus größere Teil waren Viertel-, Achtel- und Zweiundreißigstelhöfe - Lehen, Sölden und Leerhäusl.

 Die meisten Höfe konzentrierten sich um das Kloster herum. Nicht wenige lagen verstreut weit außerhalb, einige auch im damals bayerischen Freinberg. Eine Fläche von 360 Tagewerk um das Kloster herum bewirtschaftete das Kloster selbst. Das Wirtschaftshof war der Maierhof.

 Von den möglichen Leiheformen Erbrecht, Leibrecht/Leibgeding, Neustift und Freistift kommt für die Fürstenzeller Bauern nur das Leibrecht oder Leibgeding in Anwendung. Wie bei Erbrecht darf dabei der Sohn des Altbauern den Hof erben, muss sich aber mit einer hohen Summe, dem Laudemium, wieder auf Lebenszeit in den Hof einkaufen. Das Kloster, das chronisch verschuldet war, war auf diese strenge Form der Hofleihe angewiesen.

 Die niedere Gerichtsbarkeit, die für den Gerichtsherren sehr lukrativ war, konnte das Kloster nur über die Göbertshamer Bauern und die Handwerkerhäuser nahe beim Kloster ausüben. Der Name "Hofmark" für diesen kleinen Gerichtsbezirk hielt sich in Fürstenzell noch bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg für das Zentrum des ehemaligen Klosterdorfes.

 Mit dem Aufkommen des römischen Rechts seit dem 17. Jahrhundert bekam das Nutzungsrecht der Klosterbauern Eigentumscharakter, weshalb ein Gut von Bauern verkauft, vererbt und vertauscht werden konnte, freilich unter dem Obereigentum des bisherigen Grundherrn, der darauf sah, dass keine Verschlechterung des Gutes eintrat.

 Die Gegenleistung für die Überlassung des Nutzungsrechtes waren von jeher von Seiten des Bauern die "Stift" als regelmäßige Geldzahlung, die "Gilt" als Naturalabgabe und der "Kuchldienst" für den klösterlichen Haushalt. Die wenig geliebten Hand- und Spanndienste für die Eigenwirtschaft des Klosters hießen in den Klosterurbaren "Robaten". Bei der Abgabe der Stift im Kloster an Michaeli oder Weihnachten wurde dem Bauern ein Stiftsmal kredenzt, ein Zeichen für die persönliche Beziehung zwischen Grundherr und Bauer. Die Getreidegilt für den klösterlichen Kasten erbrachte mehr, als das Kloster brauchte. Was nicht verkauft wurde, bewahrte das Kloster auf, um in Not geratenen Bauern zu helfen.

 War die Fürsorgepflicht des Grundherren ein ganz wesentliches Moment der Sicherheit für den Bauern, so bot das Kloster Fürstenzell den Kindern seiner Grundholden hervorragende Bildungsmöglichkeiten in den Schulen, die das Kloster unterhielt: Unter dem letzten Abt Edmund Bachmeier gab es im Kloster eine Singknabenschule, eine Trivialschule, eine Lateinschule, eine Feiertagsschule, eine Industrieschule und die Baumschule des Bruders Paulus Rieger, dazu ein Internat für auswärtige Schüler. Das Kloster war auf seinem Eigenhof und im Unterricht der Industrieschule fortschrittlich und beispielgebend in der Landtechnik.

 Großen Wert legte man auf die musikalische Ausbildung der Schüler, die ein Instrument erlernen konnten und bei der Zeugnisverteilung am Ende des Schuljahrs Proben ihres Könnens geben durften und bei der Gestaltung der Gottesdienste mitwirkten.

 Zu einem solch vielfältigen Bildungsangebot war wohl nur ein klösterlicher Grundherr im Stande. Nicht zu unterschätzen ist, dass die Fürstenzeller Bauern in der barocken Pracht des Klosters den Werken der besten Künstler der Zeit begegnen konnten. Auch die religiöse Bildung und Betreuung, die den Menschen damals sehr wichtig war, lag bei den Mönchen in besten Händen.

 Die Aufhebung des Klosters 1803 fegte das alles hinweg. Den Bauern blieben die bisherigen Lasten, die nun dem Staat zugeführt wurden. Die Naturalabgaben wurden in Geld angeschlagen und alles bekam künftig der herzogliche Pfleger in Griesbach.

 Mit Gesetz vom 14. Juni 1848 wurde in Bayern das Obereigentum des Staates über die Höfe abgeschafft. Nun wurden alle Abgaben- und Zehntverpflichtungen, sowie die Frondienste für nichtig erklärt. Für jeden Inhaber einer Hofstelle wandelte der Staat die zu erbringenden Leistungen in eine genau festgelegte, alljährlich gleichbleibende Abgabe um, die nach und nach in Geld ablösbar war. Die fixierte Abgabe nannte man den Bodenzins, der manchen Hof noch bis ins 20. Jahrhundert belastete. Der Bauer aber war ein freier Mann auf eigener Scholle geworden. Er konnte nun über Vererbung und Verschuldbarkeit seines Besitztums entscheiden.

 Die Fürstenzeller Bauern lebten über ein halbes Jahrtausend unter der Grundherrschaft des Klosters. Ihre Arbeitskraft wurde voll beansprucht, aber es reichte zum Leben der meist großen Familien und keiner verlor seine Existenz. Es war ein Geben und Nehmen.